Foto © von Pia Mix: (von links) Ortsvorsitzender Kai-Holger Seidel, Fraktionsvorsitzender im Landtag Florian Streibl, Bürgermeister Klaus Ritter, Vorsitzender der Stadtratsfraktion Konrad Unterstein, Sepp Blank und stellv. Landrat Andreas Danzer
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16.10.2019
10 Jahre FREIE WÄHLER Traunreut

Zehnjährige „Erfolgsgeschichte“ der Freien Wähler Traunreut

Florian Streibl: „Demokratie ist nur was für mutige Leute“

Bericht und Fotos © von Pia Mix

Traunreut. Die frühere ABU (Aktive Bürger Union) änderte am 7. Mai 2009 ihren Namen und trat dem Kreisverband der Freien Wähler bei. Auf zehn Jahre „Erfolgsgeschichte“ blickte die Traunreuter Gruppierung jetzt am Mittwochabend im Saal der TuS-Gaststätte zurück. Der Fraktionsvorsitzende der Partei im Landtag, Florian Streibl, hielt anlässlich des kleinen Jubiläums die Festrede und berichtete über die Arbeit in der Koalition.

Schon sein Vater habe ihm immer gesagt, das Härteste sei für ihn die Arbeit im Gemeinderat von Oberammergau gewesen, erzählte Florian Streibl. „Je weiter man raufkommt, umso einfacher wird es“. Und sein Vater habe Recht gehabt, denn in den Kommunen sei man als Politiker ganz nah am Bürger, müsse Rede und Antwort stehen, werde auch mal auf der Straße angesprochen, was man im Gemeinderat „verbrochen“ habe. „Im Landtag sind wir schon froh, wenn überhaupt jemand mitbekommt, was wir tun.“ Seit acht Jahren sind die Freien Wähler im bayerischen Landtag und konnten schon aus der Opposition heraus einiges bewegen. Florian Streibl zählte die Abschaffung der Studiengebühren sowie die Abschaffung der STRABS als wichtige Erfolge auf. Auch für die Einführung des Kindergartenzuschusses in Höhe von 100 Euro monatlich seien die Freien Wähler verantwortlich, ein riesengroßes Programm, für das der bayerische Staat jährlich beinah 600 Millionen Euro aufwendet. Ebenso schreibt sich die Partei die Schaffung von 500 neuen Stellen für Polizisten pro Jahr und 5000 neue Lehrerstellen im Laufe der Legislaturperiode auf die eigene Fahne. „Wir haben relativ viel in den Koalitionsvertrag reingebracht und können einiges voranbringen“, zeigte sich der Fraktionsvorsitzende stolz. Als solcher sei er für seine Partei im Landtag „Mädchen für alles“ nur auf einer höheren Ebene, habe aber zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, könne Brücken bauen und müsse auch ab und zu ausgleichend wirken. In Bezug auf die Asylpolitik verwies Streibl auf den Fachkräftemangel und die Forderung der IHK, Asylbewerber nicht abzuschieben, die bereits einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz haben, weil man sie dringend im Land brauche. 200000 Stellen in Bayern könnten schon jetzt nicht besetzt werden und bis 2030 solle sich diese Zahl laut einer Prognose auf über 500000 erhöhen. „Das wird wirtschaftlich enorme Auswirkungen haben“, so Streibl. Schlimm wäre seiner Ansicht nach auch ein ungeregelter Brexit für den Freistaat, man denke nur an das BMW-Werk in Dingolfing, das täglich mehrere Lastwagen voll mit Ware nach Großbritannien exportiert. Zum Klima meint der Politiker: „Wir reden immer von Klimaschutz, dabei ist der Klimawandel schon längst da und wir müssen schauen, wie wir mit den Folgen umgehen.“ Es müsse alles Menschenmögliche getan werden, um den Wandel zu stoppen und weitere schlimme Folgen abzuwenden. Wenn es auch gut und richtig sei, dass die jungen Leute jetzt auf die Straße gehen und Taten fordern, so dürfe man aber doch nicht überhastet handeln. Ein bayerisches Klimaschutzgesetz wird nach seinen Worten derzeit entwickelt, „wir nehmen das Thema sehr wohl auf“.

Nach seiner Erfahrung hat sich in den letzten Monaten leider auch das Klima im bayerischen Landtag verändert durch eine neu hinzu gekommene Fraktion. „Früher konnte man trefflich miteinander streiten, aber die Person selber wurde nicht angegriffen, es wurden keine Gräben aufgerissen“, erklärte Florian Streibl. Jetzt sei das ganz anders, es herrsche ein gewisses Misstrauen, „man kann nicht normal mit denen reden“. Für den Politiker ist jedoch wichtig: „Wir müssen unsere bürgerlichen Werte stärken, das Positive an der Demokratie herausstellen, nicht am System zweifeln. Wir in Deutschland waren nie zuvor so reich wie heute und dennoch sind manche verzagt und unzufrieden.“ Den Wohlstand habe aber die Demokratie gebracht und die Deutschen müssten nun unter Beweis stellen, dass sie aus der Geschichte gelernt haben. Deshalb sei es auch wichtig, sich in der Politik einzubringen, nicht zuhause zu sitzen und zu warten, dass irgendjemand dies übernimmt. „Demokratie ist was für mutige Leute“, betonte Streibl, „man muss seine Meinung vertreten und für das Bild der freien Menschen kämpfen.“

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Traunreuter Stadtrat Konrad Unterstein stellte in seinem Grußwort die Erfolge der Gruppierung in der Stadt heraus. „Anfänglich von vielen müde belächelt und unterschätzt stellen wir seit knapp sechs Jahren dank des großen Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger mit unserem Klaus Ritter den Bürgermeister dieser Stadt.“ Seit dessen Amtsantritt sei der Teilankauf der Strom- und Gasnetze durch die Stadt als wichtiger Schritt zur Sicherung der Daseinsvorsorge erfolgt. Eine 24 Stunden besetzte Polizeistation, der Neubau eines weiteren Kindergarten sowie der Grundschule Nord und die Sanierung des Freibades wurden auf den Weg gebracht. Die Vereinszuschüsse für den Jugendbereich wurden deutlich erhöht, die Schaffung von 350 neuen Wohneinheiten läuft. Nun dürfe sich die Partei nicht auf dem Erreichten ausruhen. Die nächsten wichtigen Punkte seien im Straßenbau die Kantstraße und die Verbindung Hörpolding – Pattenham, außerdem ein Vorantreiben der Innenstadtsanierung und Innenstadtverdichtung sowie die Erstellung eines aussagekräftigen Verkehrskonzeptes, das am Montag im Stadtrat beschlossen wurde. Konrad Unterstein appellierte: „Lasst uns Politik mit Herz und Verstand für die Bürgerinnen und Bürger und unsere Heimat machen.“ Eine kleine Ehrung hatte der Fraktionsvorsitzende noch für Sepp Blank und Ernst Biermaier, beides Traunreuter Freie Wähler der ersten Stunde, die sich im Stadtrat und im Parteivorsitz über Jahre hinweg engagierten und einbrachten.

Der stellvertretende Landrat Andreas Danzer gratulierte dem Ortsverein zum Jubiläum und zur Kandidatenliste für die nächste Kommunalwahl. Er wisse aus seiner Heimatgemeinde Grabenstätt, wie schwierig es ist, die Leute für eine Kandidatur zu gewinnen. Nichtsdestotrotz seien die Freien Wähler im Landkreis mit 2500 bis 3000 aktiven Mitgliedern stark vertreten. Zusammen mit der katholischen Erziehergemeinschaft laden die Freien Wähler am 25. Oktober zu einer Veranstaltung mit Kultusminister Dr. Michael Piazolo in Siegsdorf ein und wollen dabei über Anliegen der Lehrer diskutieren.                                       - mix

 

Geschichte der Freien Wähler Traunreut

In Vertretung von Ernst Biermaier, der nicht an der Feier teilnehmen konnte, blickte Klaus Ritter auf die zehnjährige Geschichte der Gruppierung zurück. Bereits 2001 erfolgte die kommunalpolitische Abspaltung von zehn Stadträten, die damals aus der CSU austraten und eine neue Fraktion mit dem Namen ABU (Aktive Bürger Union) gründeten. Auf Anhieb schafften im März 2002 sieben Stadträte und zwei Kreisräte den Sprung in die jeweiligen Gremien. Bei der Kommunalwahl 2008 ohne eigenen Bürgermeisterkandidaten kamen vier Mitglieder in den Stadtrat und einer in den Kreistag. Im Oktober desselben Jahres kandidierten Matthias Bauregger und Ernst Biermaier erstmals auf der Liste der Freien Wähler für die Landtags- und Bezirkstagswahl. Am 7. Mai 2009 beschloss die Mitgliederversammlung: „ABU heißt ab jetzt Freie Wähler.“ Seitdem waren mehrere Landtagsabgeordneten der Fraktion zu Besuch in Traunreut und 2016 fand sogar die Landesdelegiertenversammlung im k1 statt. Der Höhepunkt der vergangenen zehn Jahre sei jedoch die Kommunalwahl 2014 gewesen, als Klaus Ritter zum Bürgermeister der Stadt Traunreut gewählt wurde und gleichzeitig sechs Stadträte ins Gremium einzogen. Drei Vorsitzende hatte die Gruppierung seit 2009: Ernst Biermaier bis 2012, Klaus Ritter bis 2015 und aktuell Kai-Holger Seidel. Fraktionssprecher im Stadtrat waren bis 2014 Josef Blank, bis 2017 Ernst Biermaier und nun Konrad Unterstein. In diesen zehn Jahren sei es den Freien Wählern immer darum gegangen, sich für die Bürger einzusetzen und ständig mit ihnen in Kontakt zu bleiben.                 - mix